Max wohnt allein in einer fremden Stadt

Wie bügelt man ein Hemd? Wie ernährt man sich gesund? Als 16, zum ersten Mal allein wohnte, lernte er die Tücken des Alltags kennen. Nicht alles gelang ihm – und seinen Gastgeber werden fünf Streifen auf dem Schrank noch länger an Max' Besuch erinnern.
"Es sollte mein erster Aufenthalt in einer fremden Großstadt werden. Ich wollte in meinen Sommerferien ein Praktikum machen, meine Wahl fiel auf München, rund 350 Kilometer von meiner Heimatstadt Frankfurt entfernt. Ich lebte dort für zwei Wochen in der Wohnung meines Onkels, der für diese Zeit zu seiner Freundin zog.
In München lag jetzt alle Verantwortung bei mir, schließlich war ich nun allein und hatte niemanden, der mir sagte, wann ich was machen muss. So stand das Essen nicht einfach auf dem Tisch, sondern ich musste erst loslaufen, um mir etwas zu besorgen. Ich wollte das mit einem Probelauf meiner Strecke zum Bus verbinden. Die Verbindung zur Redaktion, in der ich mein journalistisches Praktikum absolvierte, hatte ich im Internet schon rausgesucht.
Die Fahrplanauskunft gab mir für die Strecke zur Bushaltestelle fünf Minuten Zeit. Tatsächlich lief ich eine halbe Stunde. An diesem Abend meines Anreisetags war ich so müde, dass ich am liebsten sofort ins Bett gefallen wäre. Aber so einfach geht das nicht. Ich musste schließlich noch abwaschen, meine Klamotten sortieren und herausfinden, wie man Herd und Waschmaschine bedient.
Schwierigkeiten machte auch mein Handy. Ich hatte mein Ladegerät vergessen und konnte in München kein passendes Gerät finden. Also beschloss ich, das Handy, wann immer es ging, abzuschalten, um Akku zu sparen. Am achten Tag gab es dann aber doch den Geist auf. Eine Woche ohne Handy - interessante Erfahrung, das kann verdammt hart sein. Auf einmal merkt man, wie hilflos man ohne Mobiltelefon ist.
Dem Handy ging der Akku aus - und mir die Hemden: Nach einer Woche mussten sie gewaschen werden. Bügeln kann ich nicht und fragte meine Mutter, ob sie mir per Telefon eine Kurzeinführung dazu geben könnte. Sie riet mir vom Bügelversuch ab, das könne schrecklich schiefgehen. Also hängte ich die Hemden nur über einen Stuhl, einigermaßen faltenfrei.
Total misslungen ist ein Versuch im Haushalt mit einem kleinen silbernen Toaster. Er ist ziemlich geheimnisvoll aufgebaut, jedenfalls habe ich mich später damit getröstet - man erkennt nicht genau, wo oben und unten ist. Ich legte ihn mit der falschen Seite auf einen Holzschrank in der Küche, machte ihn an und ging ins Bad. Beinahe hätte der freakige Toaster die Bude abgefackelt: Schon nach einer Minute kräuselte sich über dem Gerät der Rauch. Auf dem Schrank erinnern heute noch fünf dunkelbraune Streifen an meinen Aufenthalt.
Mein Onkel nahm das locker - auch die Sache mit den Jalousien, bei denen ich versehentlich das Band zum Auf- und Zumachen herausriss. Die zweite Woche musste ich dann im Dunklen leben. Lesen konnte ich in meiner Dunkelkammer vergessen, nur per hochkomplizierter Fernbedienung waren die beiden kleinen Lampen anzukriegen. Dafür fehlte mir die Geduld. Fernsehen ging in dunkler Umgebung mit Kino-Feeling dafür noch besser als sonst.
Sonst bin ich es gewohnt, zumindest ab und an mal gesundes Essen auf den Tisch zu bekommen. Versorgt man sich allein, ist es wirklich schwer, an gesunder Nahrung festzuhalten. Ich jedenfalls benötigte viel Disziplin, gerade bei einem begrenzten Budget. Ganz ohne Burger und Sandwich ging es nicht, zum Nudeln-Kochen konnte ich mich nur zweimal durchringen.
In einer Wohnung ohne Mitbewohner kann es schon vorkommen, dass man sich ziemlich einsam fühlt. Zum Glück gibt es das Internet. Mit den sozialen Netzwerken konnte ich jederzeit mit jedem in Kontakt treten - oder es lassen. Es hat auch seine Vorteile, ganz alleine in fremden Wänden zu leben. Zumindest für eine gewisse Zeit."
(Spiegel Online, 26. Februar 2010)

bügeln – прасувати      
sich ernähren – харчуватись
die Tücke  – підступність
der Aufenhalt –  зупинка, затримка
das Ladegerät – зарядний пристрій
Akku sparen – заощаджувати акумулятор
den Geist aufgeben — випустити дух, померти
ausgehen – закінчуватись
abraten  відмовляти
schiefgehen – не вдаватись, кепські справи
freakig – недолугий, безглуздий
abfackeln – спалити
verdammt – проклятий, приречений
sich kräseln –  кучерявитися, завиватися
versehentlich –   помилковий
trösten – утішати  

Остання зміна: Tuesday 5 November 2013 11:05 PM