Max riskiert für ein Foto sein Leben

Um einen besonderen Berg zu fotografieren, wanderte Max Ruppert allein durch die argentinischen Anden. Dann stürzte er in eine Schlucht, die Sonne brannte, irgendwann hielt er Kakteen für Menschen. Nach Stunden fand er die Straße zurück - und brach dort zusammen.
"Nach dem Abi flog ich nach Südamerika, um zu fotografieren. Die Reise gibt mir noch heute Kraft - weil ich sie überlebt habe. In Humahuaca, einer Kleinstadt in den Anden Argentiniens mit bunten Bergen und wüstenhaftem Klima, entdeckte ich durch Zufall einen Flyer vom Hornocal. Der Berg faszinierte mich sofort. Scharf und wild gezackt, seltsam  geformt, erstrahlte er in sattem Rot und Orange. Ein extremes Landschaftswunder und ein spektakuläres Fotomotiv.
Eine geführte Tour war mir zu teuer, deswegen fuhr ich morgens um 4 Uhr mit einem Bus für Minen- und Landarbeiter zum Berg. Der Fahrer sagte, dass er mich um 9 Uhr abends wieder abholen würde. Im Dunkeln tappte ich auf den felsigen Hang des Tals hinaus. Dort schlug ich ein Lager auf und frühstückte. Allmählich dämmerte es - für ein gutes Panoramabild musste ich den Berg frontal vor mir haben. Ich ließ alles Gepäck zurück und ging nur mit Kamera, Stativ und einer 0,5-Liter-Wasserflasche los. Überall war Geröll und hohes Gras, aber der Berg kam kaum näher. Schnell merkte ich, dass ich meine Kräfte verschätzt hatte. Doch mein Ehrgeiz trieb mich weiter.
Auf einmal stand ich am Rande einer Schlucht. Sie war steil und etwa 15 Meter tief. Plötzlich brach das Randstück ab, auf dem ich stand und rutschte mit mir in die Tiefe. Ich stieß mein Stativ wie einen Meißel in den schottrigen Hang, um den Sturz zu bremsen. Es ging glimpflich ab, doch der Schock saß. Mühsam kletterte ich auf der anderen Seite aus der Schlucht hinaus und lief weiter bis auf ein Hochplateau. Dort endlich schoss ich mein Foto.
Gegen 12.30 machte ich mich auf den Rückweg, die Mittagssonne brannte, immer wieder wurde mir schwarz vor Augen. 'Atme, Max, atme', sagte ich mir.
Ich suchte mein Lager, doch ich hatte mich verlaufen. Nie zuvor war ich so erschöpft. Inzwischen war es 18 Uhr. Ich wusste nicht wohin - bis ich einen Einfall hatte: Auf der Kamera betrachtete ich mein erstes Foto vom Hornocal, verglich es mit der jetzigen Sicht auf den Berg. Ich war zu weit hinabgestiegen und drehte wieder um. Auf allen vieren kletterte ich den Hang hinauf. Einmal sah ich einen Menschen ich winkte wild, schrie - aber beim Näherkommen war es nur ein Kaktus.
Dann endlich blitzte mein Gepäck zwischen Grasbüscheln auf. Gierig trank ich die verbliebenen zwei Liter, aß - und erbrach. Ich torkelte zur Straße, erschöpft, aber glücklich. Um 20 Uhr war ich dort, wartete auf den Bus, eine Stunde. Anderthalb. Zwei.
Der Bus kam nicht, es wurde dunkel, und ich bekam Panik. Weit in der Ferne sah ich schwaches Licht im Tal, der Ort war mehr als 30 Kilometer entfernt. Mit heroischen Phantasien versuchte ich mich zu pushen - ich als römischer Legionär: zäh und unbeugsam, eine Kampfmaschine. Es herrscht Krieg und ich bin auf einem nächtlichen Gewaltmarsch, um den überraschten Feind im Morgengrauen anzugreifen. Kein Schmerz, kein Hunger, kein Durst kann mich aufhalten. Rückblickend klingt das natürlich lächerlich, damals hat es mir tatsächlich geholfen.
Um 23.30 Uhr stieß ich auf eine Schlammpfütze, kniete nieder und trank. Ekelhaft, aber es half. Das Fotostativ nutzte ich als Krücke.
Jede Minute wurde mir schwarz vor Augen, doch ich musste weiter; ich durfte nicht verschnaufen - sonst, so spürte ich, würde ich sofort bewusstlos. Allmählich verlor ich die Kraft, dem zu widerstehen - ich wurde ohnmächtig.
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, blendeten mich die Scheinwerfer eines Pick-ups. Ich lag am Straßenrand. Nur wenige Autofahrer kommen täglich diese Straße entlang. Mein Retter war ein mürrischer Mann, er sagte und fragte nichts, als ich einstieg. Als wir im Ort ankamen, wollte er Geld - ich kramte meine letzten Pesos zusammen, er nörgelte, ließ mich aber gehen.
Im Hostel schlief ich 16 Stunden. Ich war fast 18 Stunden gelaufen. Wenn es mir heute mal dreckig geht, erinnere ich an meinen Überlebenskampf von damals.
Vieles wird dann ziemlich leicht.

die Schlucht =, -en – ущелина
durch Zufall – випадково
der Flyer -s, = – туристичний проспект
El Hornocal  – гора в аргентинських Андах
gezackt – зазубрений, загострений
in sattem Rot und Orange – у соковитих червоних та оранжевих тонах
eine geführte Tour – організована екскурсія з провідником
der Minenarbeiter -s, =   – гірник
im Dunkeln tappen — бродити в потемках; ходити навпомацки
das Geröll, -(e)s, -e – уламки каменів, які скотились згори
rutschen – з’їхати, зісковзнути
das Hochplateau -s, -s – плато, плоскогір’я
torkeln – нетвердо триматись на ногах
anderthalb – півтора
der Gewaltmarsch -es, -märsche – форсований марш
die Schlammpfütze =, -n – болотяна калюжа     
verschnaufen – віддихатися, передихнути
ohnmächtig – слабкий, безсилий

Остання зміна: Saturday 23 March 2013 9:19 AM