Minderjährige Chemie-Genies ohne Abitur


Als eine der ersten deutschen Hochschulen öffnete die Uni Köln vor acht Jahren ihre Hörsäle und Seminarräume für Schüler. Allein im Kurt-Alder-Hörsaal sitzen heute morgen fünf junge Chemie-Genies ohne Abitur. Etwa 60 Schülerinnen und Schüler nehmen hier im laufenden Semester an Veranstaltungen in fast allen Fächern teil. Rund die Hälfte von ihnen macht sogar einen Schein.
Ähnliche Begabtenförderprogramme gibt es inzwischen an mehr als 50 deutschen Hochschulen. Offizielle Angaben über die bundesweite Zahl der Schülerstudenten gibt es nicht, die Deutsche Telekom Stiftung schätzt, dass es rund tausend Gymnasiasten und Gesamtschüler sind. Die Art, wie sie ausgewählt werden, unterscheidet sich von Uni zu Uni.
"Könnten Sie das noch mal wiederholen?", ruft eine Studentin aus den hinteren Reihen, und Professor Goldfuß fasst den Sachverhalt noch mal zusammen. Für Juniorstudent Daniel hätte er das nicht zu tun brauchen. Und auch Nuray Bayrak, die neben ihm sitzt und in die zehnte Klasse geht, flüstert: "Ich habe es schon verstanden." Wie Daniel nimmt sie am Programm "Schüler an der Universität" teil und sitzt mittwochs und donnerstags zur besten Schulzeit in Goldfuß' Vorlesung und der zugehörigen Übung.
"Chemie haben wir viel zu wenig in der Schule", sagt Daniel. Seine Eltern erzählen, dass er sich zu Hause regelmäßig über die ewigen Wiederholungen im Unterricht beschwerte. Sie suchten nach einer Möglichkeit, ihn zu fordern, und fanden das Schülerstudium. "Es ist ein Experiment", sagt Daniel. "Wenn es ihm keinen Spaß machen würde, dann ginge er nicht hin", sagt seine Mutter.
Auch Nurays Mutter hat keine Angst, dass ihrer Tochter das Schülerstudium zu viel wird. Der 16-Jährigen ist es wichtig zu sagen, dass sie in ihrer Freizeit "ganz normale Sachen" macht, "mit Freundinnen in die Stadt gehen und so". Um den Hals trägt sie einen dicken goldenen Anhänger mit den Buchstaben ihres Vornamens.
Die Tochter eines Ford-Arbeiters hat ein Ziel: "Ich möchte Medizin studieren, weil ich anderen Menschen helfen will", erzählt sie. In der Schule ist sie so gut, dass Lehrer ihr ein Schülerstudium vorschlugen. Zwar verschließt sich die Medizin in Köln - als eine der letzten Disziplinen - noch den Schülerstudenten. Aber Nuray weiß, dass eine Ärztin sich auch in Organischer Chemie auskennen muss.
"Wir unterrichten Grundlagen, alles andere können wir nicht leisten", sagt Rolf Theil, stellvertretender Schulleiter an Daniels und Nurays Gymnasium. "Aber auch die Begeisterten haben ein Recht auf individuelle Förderung", erklärt der Chemie- und Erdkundelehrer.
Diejenigen, die für das Schülerstudium in Frage kämen, müssten "leistungsstark, intelligent und lernwillig sein - aber vor allem Interesse an der Sache haben". An seiner Schule, dem Rhein-Gymnasium sind das aktuell 5 von 900 Schülern. Neben Nuray und Daniel gibt es noch zwei weitere Schülerstudenten der Chemie. Und die 14-jährige Laura Melzer besucht ein Englisch-Seminar: "Ich möchte gern Lehrerin werden", sagt sie.
Theil ist einer der Verantwortlichen bei "Schüler an der Universität". Gern erzählt er von Kindern, die im Unterricht störten, weil sie sich langweilten - und ruhiger wurden, als sie das Teilzeitstudium begannen. Ulrich Halbritter, Miterfinder des Programms, betont: "Uns geht es um Persönlichkeitsbildung. Wir wollen gar nicht alle stromlinienförmig in die Wirtschaft schicken."
Seine Argumente für das Schülerstudium: Die Hochschulen könnten die Talente früh an sich binden  und die Wissenschaft profitiere von den Ideen junger begabter Köpfe.
(Spiegel online: 07. Juli 2008)


der Schein – свідоцтво, розписка, квитанція
das Fördernprogramm – програма  сприяння
die Stiftung,-,en – фонд
der Gymnasiast - гімназист
der Juniorstudent – молодший студент
der Anhänger – підвіска, брелок, ярлик.
profitieren von D – мати зиск, наживатися, одержувати користь.
der Sachverhalt -es, -e – стан справ
teilnehmen an D – брати участь
beschweren (bei D über A) (sich) – жалітись на кого-н. через що-н.
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Остання зміна: Sunday 17 March 2013 11:57 PM